Die 22 Vollkantone, Nationale Einigkeit, 1900-1935. Nationales Landesmuseum Zürich. Photo/Foto: TES.

Die wahre Europäische Union von 26 Kantonen

Die Kelten und Römer

Keltische und rätische Stämme besiedelten das Gebiet der heutigen Schweiz schon Jahrhunderte vor Christus. Sie standen in engem (Handels-)Kontakt mit germanischen Stämmen, dem Mittelmeerraum und nördlichen Ländern.

Mit der Ankunft der Römer im ersten Jahrhundert v. Chr. begann auch der systematische Bau von Strassen und der Transport über Bergpässe, Flüsse und Seen. Die vier Jahrhunderte währende römische Herrschaft führte zu einer weitreichenden „Romanisierung“ der keltischen und rätischen Bevölkerung.

Es entwickelte sich eine gallorömische Kultur und Sprache, eine Art Vulgärlatein (Latein mit keltischen und rätischen Einflüssen). Nur die Oberschicht wurde vollständig romanisiert.

Das Gebiet wurde zu einem wichtigen europäischen Handels- und Verkehrsknotenpunkt. Mehrere Alpenpässe wurden bereits in römischer Zeit überquert Der Gotthardpass wurde erst um 1230 passierbar, ist aber bis heute ein wichtiges Bindeglied im europäischen Handels- und Personenverkehr.

 Das Mittelalter

Um das Jahr 500 lebten auf dem Gebiet der heutigen Schweiz rund 200 000 Menschen, um das Jahr 1000 schätzt man die Bevölkerung auf 500 000. Das Mittelalter in der Zeit von 500 bis 1000 war auch in der Schweiz eine Zeit grosser Veränderungen und keineswegs „dunkel“.

Die Bedeutung des Juras, des Drei-Seen-Gebietes, der Alpen, der Flüsse und Pässe für den Güter- und Personenverkehr blieb auch in dieser Zeit eminent. Die Kirche, die Klöster, die Bistümer (Genf, Lausanne, Sitten, Chur, Basel und Konstanz (heute Deutschland)) spielten in den Jahrhunderten nach dem Abzug der Römer eine herausragende politische (und militärische) Rolle.

Nach dem Abzug der Römer wanderten deutschsprachige Alemannen ein. Alemannen und später Walser verdrängten in einem jahrhundertelangen Prozess die gallorömische Sprache und Kultur, ausser im Gebiet des heutigen Kantons Graubünden.

Dort hielt sich das Rätoromanische bis ins neunzehnte Jahrhundert (abgesehen von einigen walserEnklaven), danach verdrängte das Deutsch die romanische Sprache mit Ausnahme von fünf Regionen und Idiomen.

Im westlichen Teil des Landes wurde das Französische zur Hauptsprache. Italienisch war die Sprache der im 15. und 16. Jahrhundert eroberten Gebiete. Die französischen, italienischen und deutschen Sprachgebiete der heutigen Schweiz waren bereits um das Jahr 1 000 weitgehend etabliert.

In den Jahrhunderten nach 1000 folgten der Aufstieg der Städte und ihrer Bürgerschaft, die (faktische) Unabhängigkeit der ländlichen Orte in der Zentralschweiz und die ersten Bündnisse zwischen Orten oder Kantonen ab dem 14. Jahrhundert.

Erst nach dem Jahr 1000 traten Adelsgeschlechter wie die von Kyburg, Habsburg, Savoyen, Zähringen und Schwaben sowie andere lokale Herrscher im Heiligen Römischen Reich in den Vordergrund, die auf die Periode der Merowinger, Karolinger und Burgunderkönige folgten.

Päpste, Bistümer, Abteien, burgundische Herzöge und (meist habsburgische) Kaiser des Heiligen Römischen Reiches waren bis zur faktischen Unabhängigkeit 1499 (Friede von Basel) und der Souveränität 1648 (Westfälischer Friede) ihre wichtigsten weltlichen Gegenspieler oder Verbündeten.

Die Konföderation

In einem langen Prozess entwickelte das Land ab dem 14. Jahrhundert eine einzigartige dezentrale und demokratische Struktur. Habsburg hatte nach 1499, abgesehen von einigen wenigen Gebieten (Unterengadin und Val Müstair (bis 1652), Fricktal (bis 1803), Tarasp (bis 1803) und Rhäzuns (bis 1819) und durch die Ernennung von Äbten, Bischöfen und befreundeten/verwandten lokalen Herrschern, keine Macht mehr.

Die französische Besatzung in den Jahren 1798-1813 löste Reformen aus, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten und schliesslich zur heutigen Föderation mit 26 Kantonen und vier Sprachen führten.

Fazit

Die Stärke des Landes liegt auf dezentraler und lokaler Ebene, in der Subsidiarität, in industriellen und innovativen Zentren in den entlegensten Dörfern und Gebieten, in jahrhundertealten Exportnetzen, in einer ausgezeichneten (Berufs-)Bildung, in den weltbesten Universitäten und Forschungsinstituten, im öffentlichen Verkehrssystem, in einem guten Gesundheitssystem, im Milizsystem und im direkten Einfluss der Bürger auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene. Die Bürger sind letztlich der Souverän.

Es ist eine Gesellschaft von unten nach oben, Bottom-up. In diesem Zusammenhang funktioniert der Aufenthalt von 2 Millionen Einwohnern ohne Schweizer Pass, die Aufnahme einer relativ grossen Zahl von Asylbewerbern und das tägliche Pendeln von fast 400 000 (!!!) Grenzgängern aus Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich auch (relativ) gut. Die Schweiz ist die wahre Europäische Union von 26 Kantonen.

Korrektorin: Eva Maria Fahrni