Neuchâtel,Monument12 septembre-1er mars 1848. Photo/Foto: TES.

Der Wiener Kongress und die Schweiz

Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reichs der Deutschen Nation oder des Ersten Kaiserreichs 1806 und dem Zusammenbruch der napoleonischen Kontinentalsperre und den Kriegen verkündeten die Monarchen ihre Absicht, das europäische Gleichgewicht wiederherzustellen.

Die internationale Ordnung sollte sich an der Maxime orientieren, dass der Kontinent nicht von einer Macht allein beherrscht werden dürfe. Europa sollte also aus Staaten mit stabilen Grenzen bestehen.

Für die kontinentalen Länder waren Grenzen, Bevölkerungsstärke und Größe der Armee die Parameter der Macht. Für die Inselstaaten hingegen galten Wirtschaft und Handel als die entscheidenden Faktoren.

Es ging den Briten, zum Beispiel, um den permanenten Zugang zu großen westlichen Häfen, die freie Passierbarkeit der Wasserwege, die Unabhängigkeit der Finanzplätze und die Beibehaltung niedriger Zölle.

Die Briten setzten in der Vereinbarung von Langres vom 29. Januar 1814 einen Plan durch, der Frankreich in seine alten Grenzen verwies, der eines vom französischen Einflussbereich gelösten Holland (erweitert durch Belgien und Luxemburg) sowie die Bildung eines Deutschen Bundes und die Unabhängigkeit der Schweiz sicherstellte.

Polen und Italien waren ebenfalls umstritten. Russland und Österreich waren im Bezug auf diese Gebiete aber die wichtigsten Länder, und nicht Preussen und das Vereinigte Königreich.

Die Schweiz hingegen war kein „piece of cake“, sondern „a hard nut to crack“. Das Land erweckte  eine komplexe Gebietsfrage aus inneren und internationalen Gründen.

Gemäss der Mediationsakte von 1803 war die Schweiz unter französischen Schutz gestellt und in eine Eidgenossenschaft, in die von Frankreich besetzten c.q. annektierten Gebiete Genf, Waadtländer, Jura und Wallis, die Baronie Rhäzüns und das Marschall Louis-Alexandre Berthier übergebene Fürstentum Neuenburg aufgeteilt.

Die Hohenzollern traten das Fürstentum im Tausch gegen andere versprochene Besitze an Napoleon ab.  Dieser gab es dann 1806 Berthier zum Geschenk. Gleich nach Napoleons Sturz reihte sich die Schweizer Frage in die lange Reihe der Meinungsverschiedenheiten ein. Russland und Preussen wünschten die Neuordnung der Eidgenossenschaft als Einheit. Österreich setzte sich dafür ein, die föderale Aufteilung und die Unabhängigkeit der Kantone aufrechtzuhalten.

Die Schweizer selbst waren in dieser Frage zutiefst gespalten und sahen sich in zwei Lager geteilt: die (teilweise protestantischen) „ Progressisten“ und die „aristokratische“ (teilweise katholischen) Kantone.

Der „neutrale“ englische Gesandte gelangte am 8. September 1814 zu einem Kompromiss: Unabhängigkeit der Kantone, Aufhebung der inneren Zollschranken und aristokratischen Privilegien und die Schaffung föderaler Institutionen.

Preussen erhielt (bis 1857) Neuenburg zwar offiziell zurück, jedoch ist dieses am 12. September 1814 auch offiziell als 21. Kanton in die Eidgenossenschaft eingetreten.

Genf und Wallis wurden auch als Kantone der Eidgenossenschaft anerkannt und am 7. August 1815 wurde ein Abkommen von zweiundzwanzig Kantonen unterzeichnet. Diese Verfassung sollte bis 1848 Bestand haben.

Schon am 20. März 1815 war die Neutralität der Schweiz garantiert worden und die auf dem Wiener Kongress bestimmten Grenzen sind, von kleineren Details abgesehen, bis heute die Schweizer Grenzen geblieben. Die Neutralität des Landes wurde seitdem niemals in Frage gestellt. Diese Vereibarungen waren und sind eine Erfolgsgeschichte für die Schweiz.

(Quelle: Thierry Lentz, 1815. Der Wiener Kongress und die Neugründung Europas, München 2014).

 Korrektorin: Melinda Fechner