Das schweizerische Esperanto Rumantsch Grischun
24 January 2022
Siebzehn der sechsundzwanzig Schweizer Kantone sind deutschsprachig, vier französischsprachig (Waadt, Genf, Neuenburg und Jura), einer italienischsprachig (Tessin), drei französisch- und deutschsprachig (Freiburg, Bern und Wallis) und einer Romanisch, Italienisch und Deutsch (Graubünden).
Ein mehrsprachiges Land
Obwohl die Schweiz seit langem ein mehrsprachiges Land oder Territorium ist, sind viele, wenn nicht die meisten Schweizer Bürger nicht zweisprachig, geschweige denn dreisprachig. Es gibt sogar eine wachsende (und beunruhigende) Tendenz der Kommunikation im Englischen zwischen Bürgern der verschiedenen Sprachen.
Die zweisprachige Gemeinschaft
Die einzige wirklich zweisprachige Gemeinschaft ist auch die kleinste: die Romanische in Graubünden. Alle romanischsprachigen Bürger, rund 60 000 nach den neuesten Zahlen, sprechen auch Deutsch und viele haben zumindest ein gewisses Verständnis für Italienisch und/oder Französisch.
Eine vernachlässigte Errungenschaft dieser mehrsprachigen Situation ist das älteste und erfolgreichste zweisprachige Schulsystem der Welt.
Die zweisprachige Schule in den romanischen Gebieten entstand mehr oder weniger zufällig im Laufe des 19. Jahrhunderts, als die deutsche Sprache durch die verbesserte Zugänglichkeit der Täler und den Zustrom von deutschsprachigen Bürgern (und englischen Touristen) an Bedeutung gewann.
Italienisch, Deutsch und Romanisch
Seit 1880 wurden in der Verfassung des Kantons die drei Sprachen Italienisch, Deutsch und Romanisch anerkannt, und es blieb den Gemeinden überlassen, die Sprache der Schulen festzulegen.
Die angepasste Bundesverfassung von 1999 (Art. 4, 8, 18, 31, 70 und 188) enthält detaillierte Bestimmungen und die Verwendung bei staatlichen Institutionen (U.a. beim Bundesgericht in Lausanne, das bereits 1996 sein erstes Urteil in romanischer Sprache erliess). Diese Gesetze auf Bundes- und Kantonsebene werden nicht weiter diskutiert, aber das Romanische ist als vierte Sprache der Schweiz anerkannt (formell seit 1938).
Die Romanische Sprache
Das Romanische ist eine eigenständige Sprache, deren Wurzeln auf die Kelten und die Römische Provinz Rätien mit Chur (Curia) als wichtigster Stadt zurückgehen.
Das (vulgäre) Latein verschmolz mit den lokalen Sprachen und wurde allmählich zum Romanischen. Der (langsame) Germanisierungsprozess vom Norden (ab der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts) und vom Westen (von deutschsprachigen Oberwallisern, im 13. und 14. Jahrhundert, auch Walser genannt) isolierte allmählich die romanischsprachigen Völker und ihre Täler.
Als die Drei Bünde (Gotthausesbund, Zehngerichtebund und Grauer oder Oberer Bund) 1803 in den Kanton Graubünden übergingen, durfte jeder Delegierte im Parlament des Kantons die romanische, deutsche oder italienische Sprache verwenden, und in diesen drei Sprachen wurden amtliche Dossiers aufgezeichnet und gedruckt.
Die Praxis
In der Praxis war die Realität jedoch weniger rosig und Deutsch war die bevorzugte Sprache in der Verwaltung. Die Verwendung des Romanischen wurde auch durch den Mangel an romanischer Identität und die Entwicklung von fünf romanischen Idiomen im Laufe der Jahrhunderte erschwert, die auf die Isolation der Täler durch die Alpen zurückzuführen sind.
Die Sprachen sind sehr unterschiedlich, z.B. Surselva, Sutselva und Surmiran (Rhein-Region) und Vallader (Unterengadin) oder Putèr (Oberengadin). Eine Initiative, das Rumantsch Grischun, zielt auf eine Standardisierung der romanischen Sprache ab.
Die romanische Renaissance in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts versuchte den Niedergang dieser historischen und einzigartigen Sprache zu stoppen.
Zeitungen, Radio, Fernsehen, Schulen, ein Lehrstuhl für die romanische Sprache an der ETH und der Universität Zürich, Sprachkurse innerhalb und ausserhalb Graubündens (Basel, Bern, Zürich), der rechtliche (verfassungsrechtliche) Rahmen, Literatur und die Verwendung in kulturhistorischen Publikationen, Theater, Musik und anderen kulturellen Veranstaltungen geben Hoffnung für die Zukunft, obwohl demographische, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen und die Globalisierung die Sprache herausfordern.
Die aktuellen Diskussionen über Fremdsprache in der Schule im Kanton (und in der Schweiz) ist ein weiteres Indiz für die fortschreitende (wachsende) sprachliche Spaltung des Landes.
Könnte das Romanische zum Esperanto für die Schweiz werden? Das Rumantsch Grischun ist bereit für die Schweiz.
(Quelle, M. Gross, Rätoromanisch, Facts & Figures, Lia Rumantscha, Chur, 2005).
Korrektorin: Melinda Fechner