Fast alle Wege führten nach Aventicum in der römischen Schweiz
20 Juni 2020
Aventicum (Avenches) war die Hauptstadt des Gebiets der Helvetier (Civitas Helvetiorum), das um 15 v. Chr. in das Römische Reich eingegliedert wurde, und eine der wichtigsten Städte der römischen Schweiz wurde.
Avenches, die heutige mittelalterliche Kleinstadt, war das politische und administrative Zentrum der Helvetier und zählte zu seiner Blütezeit fast 20 000 Einwohner. Die antike Stadt lag weiter östlich mit einem heute ausgetrockneten Hafengebiet.
Die Stadt erlebte einen raschen Aufschwung, als sie 71 n. Chr. von Kaiser Vespasian in den Rang einer Kolonie erhoben wurde und den Namen Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Foederata erhielt .
Kaiser Vespasian und sein Sohn Kaiser Titus lebten eine Weile in Aventicum. Die Stadt der Helvetier wurde nach ihrer Eingliederung in das Römische Reich von Kaiser Augustus zunächst der Provinz Gallia Lugdunensis (Lyonisches Gallien), dann der Provinz Gallia Belgica und schliesslich 85 n. Chr. der Provinz Germania superior angegliedert.
Die Stadt entging 69 n. Chr. nur knapp der Zerstörung, nachdem sie sich auf Galbas Seite gegen Vittelius und seine XXI. Legion, die in Vindonissa (Windisch) stationiert war, gestellt hatte. Vittelius gewann gegen Galba, wurde aber einige Monate später von den Anhängern Vespasians besiegt. Dieser Sieg rettete Avenches.
Nach und nach wurde die Stadt in das Römische Reich integriert und erlebte eine bemerkenswerte urbane Entwicklung. Diese römische Urbanisierung führte zu einer neuen politischen Organisation des Raums. Die herrschenden Eliten, der keltische Adel, waren in ihrer politischen Macht gestärkt und entschieden sich, die Romanisierung zu fördern und dem römischen Modell zu folgen.
Durch die Einführung eines für römische Städte typischen orthogonalen Strassenplans, der rechteckige, hauptsächlich für Wohnzwecke und Ateliers genutzte Blöcke abgrenzte, wurde Aventicum zur Hauptstadt eines riesigen Gebiets, das einen Grossteil des Schweizer Mittellands umfasste.
Die Stadt profitierte auch von ihrer privilegierten Lage im Strassennetz des Römischen Reiches und den Wasserverbindungen.
Antike Dokumente und archäologische Funde haben die Bedeutung von Aventicum bei der Errichtung von Verkehrswegenetzen auf der Achse zwischen Besançon (Vesontio) und Augst (Augusta Raurica) über Pontarlier (Abiolica), den Col de Jougne, Yverdon (Eburoduno), Studen (Petinesca) und Solothurn (Salodurum) aufgezeigt.
Und weiter nördlich entlang des Doubs über Mandeure stellte eine Strasse die Verbindung zwischen der Rhône-Saône-Achse und dem Rheinbecken her. Eine Strasse verband Aventicum auch mit der transalpinen Achse vom Grossen Sankt Bernhard zum Genfersee über Moudon (Minodum), Oron (Viromagus) und Vevey (Vivisco).
Zu diesen Hauptwegen kamen weitere Strassen hinzu, so dass die Stadt auf der Achse zu liegen kam, welche den Genfersee mit dem Bodensee verband.
Die Achse, die von den drei grossen Juraseen Neuenburg, Biel und Murten und dem Aarebecken bis zum Rhein gebildet wurde, spielte weiter eine wichtige Rolle. Aventicum wurde mit einem Hafen am Südufer des Murtensees ausgestattet. Das Hafengebiet, das durch eine fast einen Kilometer lange Strasse erschlossen wurde, stand in besonderer Verbindung mit den Nekropolen und den Siedlungen im Norden der Stadt.
Zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. wurde der Hafen mit einem 800 m langen und 7 m breiten Kanal verbunden, der die Kreuzung von zwei Transportbooten ermöglichte und den Hafenbereich an die Strasse im Nordosten anschloss.
Hier wurden Tausende Tonnen Kalkstein, Marmor und andere Materialien für den Bau von repräsentativen Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden, Theater, Amphitheater, Thermen, Heiligtümern und anderen monumentalen Gebäuden sowie verschiedene Waren und Dachziegel angeliefert.
Aventicum war eine römische, kosmopolitische und kaiserliche Hauptstadt.
(Quelle : D. Castella, « Territoire et voies de communication », dans Avenches. Capitale des Helvètes, Association Pro Aventico, Avenches 2003).