Erasmus und Basel
20 February 2023
Desiderius Erasmus (1466-1536) verbrachte acht Jahre in vier verschiedenen Perioden (1514-1516, 1521-1529, 1535-1536) in Basel. Wie viele seiner Zeitgenossen führte der Humanist und Gelehrte ein Wanderleben.

Holbein kümmerte sich für den Froben-Verlag um die künstlerische Gestaltung seiner Bücher und damit auch der Werke von Erasmus. Sein Sohn Hieronymus Froben (1501-1563) übernahm 1527 das Geschäft. Dieser war ebenfalls mit Erasmus befreundet.
Die Elite der Künstler, Gelehrten, Studenten, Händler, Mönche und geistlichen und weltlichen (aristokratischen) Herrscher war im Mittelalter und bis ins neunzehnte Jahrhundert viel europäischer als heute in der ‚Top-Down‘ Europäischen Union.
Latein (und später französisch) war meist ihre gemeinsame Sprache. Sie lasen die gleichen Bücher, hörten die gleiche Musik, hatten den gleichen kulturellen Hintergrund und hatten die gleiche (universitäre) Ausbildung.
Kurz gesagt, sie hatten die gleiche Sprache, was die vielen (religiösen, wirtschaftlichen, politischen oder dynastischen) Unterschiede, (kriegerische) Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten nicht schmälerte.
Auch Matrosen, Handwerker, Söldner und Lohnempfänger liessen sich oft über weite Strecken nieder. Der Aufstieg des Nationalstaates im neunzehnten Jahrhundert würde diese Einstellung und Mentalität grundlegend verändern.
Erasmus fühlte sich in einem Umfeld des Lernens, des Humanismus und der (relativen) Toleranz sowie der Präsenz von Druckern und Verlegern zu Hause. Basel war in dieser Zeit das europäische Zentrum des Humanismus und des Lernens, sowie des Verlags- und Druckwesens. Das Schweizerische Museum für Papier, Schrift und Druck (die Basler Papiermühle) im St. Alban in Basel ist ein kulturelles Erbe aus der Blütezeit dieser Industrie.
Basel 2022 mit Rhein, Münster und Ort der alten Universität (1460).
Viele der Werke von Erasmus wurden in Basel geschrieben und gedruckt. Auch seine griechische Übersetzung des Neuen Testaments wurde 1516 von seinem Freund und Drucker/Verleger Johannes Froben (1460-1527) in Basel veröffentlicht.
Als Humanist und Anti-Fanatiker geriet Erasmus während der Reformation in Konflikt mit Martin Luther (1486-1543). Erasmus wollte die Kirche durch eine Diskussion von innen heraus reformieren und nicht durch eine gewaltsame Revolution gegen die etablierte Macht (die Kirche). Ab 1516 lebte und arbeitete er im katholischen Leuven und in Brüssel.
Lucas Cranach der Ältere (1472-1553), Martin Luther, 1528. Sammlung: Lutherhaus Wittenberg
Er wollte aber nicht Partei ergreifen und liess sich deshalb wieder in Basel nieder. Erasmus will in keiner ausgesprochen katholischen Stadt mehr wohnen und in keiner reformierten. So sucht er Zuflucht in den ewigen Hort aller Unabhängigkeit, in der Schweiz.
Basel war für viele Jahre die Stadt seiner Wahl. Sie ist im Mittelpunkt Europas gelegen, still und vornehm, mit sauberen Strassen, mit ruhigen Menschen, keinen Fürsten, sondern (relativ) demokratisch und frei, ein souverän Kanton der Eidgenossenschaft seit 1501.
In dieser wohnsamen Stadt findet der ewig herumgetriebene etwas wie Heimatgefühl. Basel wird der grosse Ruhepunkt seines Lebens. Hier hat er langer gelebt, als irgendwo sonst, und diese Namen haben sich aneinander verbunden: man kann seitdem Erasmus nicht mehr denken ohne Basel und Basel nicht ohne Erasmus.
Hier hat Erasmus viele seiner schönsten Geschriften geschrieben. Wenn die geistige Welt Europas damals nach ihrem geistlichen Führer blickt, so sieht sie nach der alten kaiserlichen und königlichen Stadt am Rhein hinüber.
Im Jahre 1529 übersiedelt er in das stillere und kleinere Freiburg (Baden) hinüber, weil auch Basel zu reformiert wird und er will nirgends Partei nehmen. 1535 war der Rückkehr in Basel und am 11. Juli 1536 starb er dort.
Basel, das Münster. Erasmus von Rotterdam.
Er wurde im (evangelischen) Münster begraben, in der Nähe seines letzten Wohnsitzes im Haus zum Luft an der Bäumleingasse, dem Haus seines Freundes Hieronymus Froben.
Quelle: Stefan Zweig. Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, 2021, Frankfurt am Main.
Münsterplatz