Avenches. Foto/Photo:TES

Von der Römischen Hauptstadt Aventicum zur Provinzstadt Avenches

Avenches liegt im Herzen des schweizerischen Mittellandes in der sogenannten Drei-Seen-Region. In der Antike gehörte das Gebiet zum Territorium der Helvetier.

Ein ideales Siedlungsgebiet, das als Verkehrsweg von Südwesten nach Nordosten zwischen den Gebieten des Genfersees, des Neuenburgersees, des Murtensees, des Bielersees, der Aare, der Rhône und des Rheins diente.

Avenches heute

Die Helvetier

Die Geschichte der Migration bestimmter keltischer Stämme (Helvetier und Rauraci) nach Ostfrankreich im Jahr 58 v. Chr. ist aus dem Buch De Bello Gallico von Julius Caesar (100-44 v. Chr.) bekannt.  Die Geschichte nach der Niederlage in Bibracte in diesem Jahr ist aber viel weniger bekannt.

Zwei Städte (Kolonien) wurden um 44 v. Chr. von den Römern gegründet (Colonia Iulia Equestris (Nyon) und Augusta Raurica (Augst)). Die Stämme verbündeten sich mit den Römern (Foederati).

Die Pax Romana stand kurz vor ihrem Beginn, abgesehen von einigen gewaltsamen Unterbrechungen (vor allem in den Jahren 68/69 n. Chr.), bis 260 n. Chr.
Die Stadt Aventicum (heute Avenches) war damals mit rund 20 000 Einwohnern die Hauptstadt der Helvetier.

Der grösste Teil der römischen Stadt lag nordöstlich der heutigen Stadt. Die flache Ebene war ideal für die Anlage einer Stadt nach schachbrett- oder gridachtigem Muster mit rechtwinklig verlaufenden Strassenzügen und Quartieren (insulae).

Bild: Musée romain d’Avenches

Der Ausbau der Stadt kam in den ersten Jahren des 1. Jahrhunderts schnell voran. Die Jahre 68-69 n. Chr. waren für Avenches sehr wichtig.

Als Kaiser Vespasian (9-79) 69 an die Macht kam erhob er die Stadt in einer Kolonie mit dem Name Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum FoederataConfoederatio Helvetica (CH) ist noch heutzutage der Name.

In jener Zeit begann man mit dem Bau der Stadtmauer. In den nachfolgenden Jahrzehnten veränderte sich das Stadtbild grundlegend. Es entstanden zahlreiche öffentliche Gebäude.

Das Forum wurde umgebaut. Der Wohlstand dauerte bis in die ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts an. Gemäss Schätzungen dürfte die Stadt 20 000 Einwohner gezählt haben (heute 4 000).

Der Hafen und der Kanal

Aventicum entstand inmitten eines Gebietes, das von einem Netz von schiffbaren Wasserwegen durchzogen war. Der Zugang zu diesen Wasserwegen war von grosser Bedeutung. Aventicum baute also um 5. n. Chr. einen künstlichen Hafen, der in den Murtensee hinausragte.

Dieser Zugang zu den Land- und Wasserwegen war ein wesentlicher Faktor für die Wahl der römischen Eroberer (um 15. v. Chr.) hier eine neue Stadt Aventicum zu gründen.

Der Hafen war eine aus Steinen und Kies mit einer Palisadenwand aufgehäufte Landzunge, in der Verlängerung der einen Kilometer langen Strasse, die von Norden her in die Stadt führte.

Um 125 n. Chr. entstand östlich des Hafens auch noch ein schiffbarer Kanal (870 m lang, Breite 7 m) zum See. Ein breiter Schotterweg verlief entlang des Ostufers. Weshalb baute man aber eine solche Wasserstrasse in unmittelbarer Nähe eines Hafens ? Es handelt sich hier wahrscheinlich um eine private Initiative, ähnlich wie zum Beispiel die Pont d’Aëlim im Aostatal, 3 v. Chr. 

Nach der Mitte des dritten Jahrhunderts begann der langsame Zerfall und Niedergang. Die einstmalige Hauptstadt hatte verlassen jedenfalls noch soviel an Bedeutung ≈, dass sie für kurze Zeit zum Bischofssitz avancierte. Nach dem sechsten Jahrhundert gibt es aber vier Jahrhunderte keine Nachrichten über Aventicum.

Das römische Museum

Die römische Vergangenheit ist aber teilweise gut erhalten, das Amphitheater, das Theater und das Heiligtum, die Thermenanlage, die Stadtmauer mit einem Turm und Osttor,  das Forum, die Hafenanlagen und die Wohnbauten, die heute nicht mehr zu sehen sind.

Wie in anderen Städten des Römischen Reiches war die imperiale Macht in der ganzen Stadt omnipräsent. Der Kaiser hatte die politische, legislative, militärische und religiöse Macht. Viele Objekte zeugen davon, wie zum Beispiel die 1939 entdeckte goldene Büste von Kaiser Marcus Aurelius.

Viele andere Funde, Medaillons, Elfenbeinobjekte, Portraits, Statuen, Mosaike, Macht- und Religionssymbole, zeugen von den Zeremonien des Kaiserkultes, dem Kult der kaiserlichen Familie als Halbgötter.

Die römische Gesellschaft war tief religiös und der Haupttempel stand den Machtzentren wie der Kurie, dem Forum und der Basilika, gegenüber.

Statuen und Denkmäler wurden zu Ehren der kaiserlichen Familie oder lokaler Würdenträger als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit für ihre Grosszügigkeit bei der Finanzierung öffentlicher Gebäude, Veranstaltungen, Speisenverteilung usw. errichtet.

Das römische Museum von Avenches das sich im mittelalterlichen Turm des römischen Amphitheaters befindet, bietet einen guten Überblick über das Leben in dieser römischen Provinzstadt. Der Theaterkomplex, einschliesslich der Überreste des römischen Tempels (Le Cigognier), das Amphitheater und andere Überreste, können ebenfalls besichtigt werden.

Die heutige Stadt Avenches

Erst im 11. Jahrhundert trat die Stadt Avenches wieder in die Öffentlichkeit, als Bischof Burkhard von Oltigen ( um 1000-1089), über dem westlichen Zugang zum Amphitheater einen Wehrturm erbauen liess, heute das Römermuseum der Stadt.

Die Renaissance der Stadt erfolgte in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts mit der Gründung der heutigen Stadt auf dem Hügel.

(Quelle und weitere Informationen: D. Castella (Hrsg), Aventicum. Eine römische Hauptstadt, Avenches 2015; www.aventicum.org)

Korrektorin: Melinda Fechner