Bern, Das Bundeshaus. Foto: TES

Die Confoederatio Helvetica

Die Abkürzung CH ist von der offiziellen lateinischen Bezeichnung „Confoederatio Helvetica“ abgeleitet. Curia Confoederatis Helveticae steht auf der Fassade des Bundeshauses in Bern. Der Name Helvetica bezieht sich auf den keltischen Stamm der Helvetier, der vor über 2’000 Jahren das Schweizer Mittelland bewohnte.

Bern, das Bundeshaus

Melide, Swiss Miniature

Paul Burkhard (1888-1964) wurde 1920 mit der Gestaltung einer neuen Fünf-Franken-Münze beauftragt. Er entwarf den Alphirten (und nicht Wilhelm Tell!)

Die ersten Eidgenossen

Ein Zusammenschluss der drei Orte in der Zentralschweiz Uri, Schwyz und Unterwalden bildete die ersten Anfänge der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Der Begriff Kanton geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Dieses Bündnis wurde vor über sieben Jahrhunderten, etwa 1291, mit einem Eid ratifiziert, daher der Name Eidgenossen.

Solche Bündnisse zwischen Orten, Städten und Regionen waren zu jener Zeit üblich. Auch andere Städte wie Bern und Freiburg/Fribourg schlossen bereits vor 1291 Bündnisse. Das Besondere an den Schweizer Bündnissen ist, dass sie zur Schweiz und zu ihren 26 souveränen Kantonen führten!

Die Hanse (vom 12. bis zum 16. Jahrhundert), der Rheinische Städtebund (1254-1257, 1381-1389), der Schmalkaldische Bund (1530-1546), der Schwäbische Städtebund (1331-1381), der Schwäbische Bund (1488-1534) und z.B. der Zehnstädtebund oder Dekapolis (1354-1679) sind Beispiele für Bündnisse, die es nicht geschafft haben bis heute zu überleben.

Dieses Bündnis von 1291 wurde im Jahr 1315 erneuert. Die Urkunde ist erhalten geblieben und kann heute im Bundesbriefmuseum in Schwyz besichtigt werden.

Landesmuseum Zürich, die Tagsatzung der Kantone (oben) und eine Kopie der Urkunde von 1291 (unten)

Die Eidgenossenschaft entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte. So entstand 1513 allmählich eine Konföderation von 13 deutschsprachigen Kantonen (nur Freiburg/Friboug war zweisprachig) ohne Verfassung.

Auch der heutige Kanton Graubünden zeigt die Einzigartigkeit der Eidgenossenschaft. Graubünden bestand im Spätmittelalter aus drei Bündnissen: dem Gotteshausbund (1367), dem oberen oder dem Grauen Bund (1395 und 1424 bestätigt), daher der Name Graubünden, und dem Zehngerichtebund (1436).

Diese drei souveränen Republiken schlossen sich im Jahr 1524 zum Freistaat der drei Bünde zusammen. Dieser souveräne Staat wurde zu einem Verbündeten der Eidgenossenschaft. Der neue Kanton Graubünden wurde 1803 durch die neue Eidgenossenschaft (Mediationsakte 1803-1813) geschaffen.

Bild: Nidwalder Museum, Stans

1648-1848

Der Westfälische Friede (1648) bestätigte die Unabhängigkeit und Souveränität der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Nachdem die französische Armee 1792/1793 einen Teil des Bistums Basel annektiert hatte, fiel sie 1798 in die Schweiz ein. Napoleon gründete daraufhin die Helvetische Republik, einen Einheitsstaat ohne Unabhängigkeit der jahrhundertealten Kantone, nach dem Vorbild der Batavischen Republik (1795) in den Niederlanden. Der Widerstand der Kantone war jedoch so stark, dass diese Republik 1803 aufhörte zu existieren.

Im Jahr 1803 gründete Napoleon eine neue Konföderation (1803-1813). Dieser Bund umfasste die dreizehn alten Kantone und die sechs neuen Kantone (Aargau, Tessin, St. Gallen, Thurgau, Waadt und Graubünden). Diese Eidgenossenschaft umfasste  also 19 souveräne Kantone.

Nach der Niederlage Napoleons und dem Wiener Kongress von 1815 zählte die neue Konföderation 22 Kantone, darunter die neuen Kantone Wallis, Genf und Neuenburg. Der Bundesvertrag von 1815 war keine Verfassung, sondern ein Vertrag zwischen den Kantonen. Der Kanton Jura wurde 1979 als Abspaltung vom Kanton Bern geschaffen, zu welchem er seit 1815 (Wiener Kongress) gehörte.

Die Revision von 1874. Sammlung: Landesmuseum Zürich

Die Bundesverfassung

Nach dem Sonderbundskrieg von 1847 zwischen katholischen Kantonen, die keinen starken Bund wollten, und protestantischen und einigen katholischen Kantonen, die einen starken Bund wollten, bestätigte die Bundesverfassung von 1848 die Grundlagen der heutigen Eidgenossenschaft.

Mit den Revisionen von 1874 und 1891 wurden zwei wichtige Instrumente eingeführt, mit denen die Bürgerinnen (seit 1971) und Bürger Einfluss auf die Bundesgesetzgebung und sogar auf die Verfassung nehmen konnten: das fakultative Referendum (für die Gesetzgebung) und die Volksinitiative für die Aufnahme neuer Artikel in die Verfassung. Das obligatorische Referendum für eine Verfassungsänderung durch die Regierung gab es bereits 1848.

Die Verfassungsänderung vom 1. Januar 2000 bestätigt das Verhältnis zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und Bürgern sowie den Vorrang des Bundesrechts vor dem kantonalen Recht.

Der Bund (la Fédération) ist in allen Bereichen zuständig, die ihm von der Verfassung ausdrücklich, d.h. mit Zustimmung von Bürgern der Gemeinden und Kantonen, übertragen werden. Alle anderen Aufgaben und Befugnisse fallen in die Zuständigkeit der Kantone. Die Kantone können ihrerseits Kompetenzen an die Gemeinden delegieren.

Die Landesregierung heisst Bundesrat/Conseil fédéral. Die Verfassung sieht sieben Minister und Ministerinnen für sieben Departemente in der Regierung vor.

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Das nationale Parlament

Das Schweizer Parlament besteht aus zwei Kammern. Der Nationalrat (Conseil national) vertritt die Bürgerinnen und Bürger. Der Ständerat (Conseil d’États) vertritt die sechsundzwanzig Kantone.

Zusammen bilden diese beiden Kammern die Nationalversammlung (Assemblée fédérale/Bundesversammlung). Sie hat 246 Mitglieder: 200 Mitglieder des Nationalrats und 46 Mitglieder des Ständerats.

Die 46 Mitglieder des Ständerats vertreten ihren Kanton mit zwei Delegierten pro Kanton. Sechs Kantone (Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden) haben einen Vertreter.

Das Bundeshaus, die heutigen Kantone, der Jura wurde 1979 hinzugefügt

Kantone und Gemeinden

Die Verfassung anerkennt die Gemeinden, die ältesten Organe der Schweiz. Sie existierten lange vor den Kantonen und noch viel länger vor der Eidgenossenschaft von 1848.

Die Schweiz ist auf dem Prinzip der Subsidiarität gebaut. Die (delegierte) Macht haben, wenn irgendwie möglich, erst die Gemeinden, dann die Kantone und dann der Bund. Entscheiden soll, wer unmittelbar betroffen ist. Die Gemeinden sind die Kleinstlabors der direkten Demokratie und erst dann die Kantone.

Landsgemeinde Trogen (Kanton Appenzell Ausserrhoden) 1814. Bild: Kantonsbibliothek  Appenzell Ausserrhoden

Jeder Kanton hat seine Verfassung, sein Parlament, seine Regierung und seine Gerichte. Die Kantone sind souverän, sofern sie nicht Kompetenzen an den Bund abgetreten haben. In vielen Bereichen (u. a. Gesundheit, Bildung, Justiz, Polizei, Steuern) verfügen sie über ein hohes Mass an Autonomie.

Die Gemeinde ist die kleinste politische Einheit der Schweiz. Es gibt rund 2.200 Gemeinden. Die Gemeinden erfüllen die Aufgaben, die ihnen von der Kantonsverfassung zugewiesen werden.

In den grösseren Gemeinden, etwa jeder fünften, ist die Legislative durch ein Parlament vertreten, in den übrigen durch eine Gemeindeversammlung, an der alle stimmberechtigten Einwohner teilnehmen können.

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Die Polizei und Justiz 

Die Kantone haben die Hoheit über die Organisation der Justiz und Rechtsprechung, aber im Rahmen und mit dem Respektieren des Bundesrechts, der Bundesverfassung und der internationalen Verträge. Oberstes Gericht ist das Bundesgericht (Tribunal fédéral) in Lausanne. Es hat drei weitere Abteilungen in Bellinzona (Strafrecht), St. Gallen (Verwaltungsrecht) und Luzern (Sozialversicherungsrecht).

Genf, Referendum September 2022

Schlussfolgerung

Die Schweiz ist sprachlich, religiös, kulturell und wirtschaftlich ein geteiltes Land. Dennoch funktioniert das Land auf politischer Ebene (relativ) gut. Die 26 Springbrunnen vor dem Bundeshaus symbolisieren diese Einheit in der Vielfalt der Kantone. An bestimmten Wochentagen werden die Brunnen mit einer speziellen Choreographie bespielt.

Die direkte Demokratie, der Föderalismus und das Wahlsystem (eine einzigartige Kombination vom Proporzwahlrecht und Majorzwahlrecht) sind die Pfeiler des wirtschaftlichen, sozialen und demokratischen Erfolgs und der Stabilität des Landes.

1848 war dies jedoch nicht selbstverständlich. Das Land ist aus einem mittelalterlichen Bündnis überwiegend souveräner deutschsprachiger Orte und Kantone hervorgegangen.

Zwischen 1291 und 1848 kam es dann auch zu zahlreichen (bewaffneten) Konflikten zwischen den Kantonen oder auch innerhalb einzelner Kantone. Der Slogan unus pro omnibus, omnes pro uno am Eingang zum eidgenössischen Parlament in Bern kam erst 1848 richtig zur Geltung.

Die Verfassung stammt von 1848, darin definieren die Kantone und das Schweizer Volk den Bundesstaat, die Bundesorgane und ihre Kompetenzen, die Ausübung dieser Kompetenzen und die Organisation des Landes.

In den letzten Jahrzehnten verschiebt sich die Macht jedoch nach oben, und die Autonomie der Gemeinden und Kantone, das Fundament der direkten Demokratie, steht unter Druck. Diese Diskussion ist aktuell in einer Zeit von vielen Krisen. Die zentrale Frage ist: wie können auch die grossen (und kleinen) Probleme im Kleinen gelöst werden und noch immer mit dem Milizsystem?

Es besteht ein Unterschied zwischen den Kantonen und dem Schweizervolk in den Gemeinden als Stifter der Confoederatio Helvetica und dem Bund andererseits. Das Volk und die Kantone sind und bleiben der Souverän, sofern keine Kompetenzen an den Bund übertragen wurden. Volk und Kantone können dies theoretisch jederzeit rückgängig machen.

Korrektorin: Petra Ehrismann

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